Dialog "Das Implantat"
Cornelius Borck & Volker Coenen

In dem zwei Mediziner die elektrische Stimulation des Gehirns aus neurochirurgischer und philosophischer Perspektive betrachten. Hier steht das Ziel des praktizierenden Arztes, einem Menschen zu helfen und nebenbei die Funktion des Nervensystems besser zu verstehen, der Sorge des Medizinhistorikers gegenüber, die Beschreibung des Gehirns als elektrischer Maschine könnte den Menschen zu einem unter dem Einfluss ionischer Ströme zuckenden Froschschenkel reduzieren. Immerhin, so der Konsens, wollten Mediziner heute dem Individuum helfen, nicht die Gesellschaft formen. Oder doch nur insofern, als dass diese lernen müsse, auch therapierbare Kulturanomalien wie Melancholie und Depression zu akzeptieren.

1. Kapitel: Elektrizität & Gehirn: Kurzschluss ins Imaginäre

00:45 Kommentar zum elektrischen Feld

Das Elektrische Feld ist natürlich nicht sphärisch. Wenn man von einer gleichmässigen Impedanz im Gewebe um eine Stimulationselektrode ausgehen könnte, dann wäre die Form, die dem Elektrischen Feld am nächsten kämw wohl ein Torus. Pragmatisch ist es, im klinischen Kontext von einer Kugel auszugehen. Mädler, B., & Coenen, V. A. (2012). Explaining Clinical Effects of Deep Brain Stimulation through Simplified Target-Specific Modeling of the Volume of Activated Tissue. AJNR. American Journal of Neuroradiology. doi:10.3174/ajnr.A2906

01:30 Erklärung des Tremors

Tremor ist eine Bewegungsstörung, bei der der Patient meist rhythmische unwillkürliche Bewegungen macht. Dazu kann man meistens „ein Lied singen“. Der Tremor kann sehr vielgestaltig sein. Er tritt als eigene Erkrankung, oder als Teil anderer Erkrankungen (z.B. bei Morbus Parkinson) auf. Die Tiefe Hirnstimulation wird seit 1987 zur Behandlung des Tremors eingesetzt.

02:05 Erklärung Jaak Panksepp

Jaak Panksepp, ein gebürtiger Este, der seit den 60er Jahren in den USA forscht. Begründer der Affektiven Neurowissenschaften. Panksepp hat den Bailey Ednowed Chair of Animal Well Being der Washington State University. Seine Arbeiten beziehen sich stark auf Paul MacLeans arbeite, der ebenfalls in der Fachwelt etwas verkannt wird, tatsächlich aber den Begriff des "limbischen Systems" erfunden hat, der noch heute für Emotionsverarbeitung (manchmal zu oft) benutzt wird. Panksepp hat sich in seiner gesamten Arbeit mit der Manifestation emotionaler Systeme des Gehirns am Beispiel der Tierphysiologie auseinander gesetzt. Er hat die (Unter-) Funktion des medialen Vorderhirnbündels für emotionale Erkrankungen bereits in den 80er Jahren erkannt.

03:00 Kommentar zu PANIC-SEEKING

Sehr reduktionistisch aber greifbar PANIC vs. SEEKING. Panksepp definier sieben im Tiermodell durch Stimulation nachweisbare Grundemotionen. Eine Überaktivität des PANIC-Systems könnte man als Ursache für die Depression verstehen.

03:55 Erklärung MFB

Das Mediale Vorderhirnbündel (MFB) ist eine zentrale Struktur des Rewardsystems. Es verbindet zentrale Hirnregionen, die mit Affektregulation in Zusammenhang stehen. Funktionell kann man das MFB als anatomisches Korrelat des SEEKING kann man zur Behandlung von Depression stimulieren. Wurde bisher bei 22 Patienten durchgeführt. Vgl. Schlaepfer, T. E., Bewernick, B., Kayser, S., Maedler, B., & Coenen, V. A. (2013). Rapid Effects of Deep Brain Stimulation for Treatment-Resistant Major Depression. Biological Psychiatry; sowie Coenen, V. A., Schlaepfer, T. E., Maedler, B., & Panksepp, J. (2010). Cross-species affective functions of the medial forebrain bundle-Implications for the treatment of affective pain and depression in humans. Neuroscience and Biobehavioral Reviews, –11. doi:10.1016/j.neubiorev.2010.12.009

12:00 Empfehlung

Guter Einstieg in die Psychiatrische Chirurgie: „Brain Control" von Elliot Valenstein.

12:45 Erklärung zu EKT

EKT = Elektrokonvulsionstherapie - auch Elektrokrampftherapie genannt. Unter Kurznarkose und Muskelrelaxation wird durch von aussen induzierten Strom ein epileptischer Anfall von mindestens 25-30 Sekunden Dauer ausgelöst. Die EKT kann innerhalb kurzer Zeit selbst bei schweren, sonst therapieresistenten Erkrankungen wirken. In Deutschland werden jährlich ungefähr 4000 Menschen mit EKT behandelt.

2. Kapitel: Fallbeispiele: Parkinson, Corea Huntington, Depression

17:00 Kommentar zu Reserpin

In den 50er Jahren hatte man entdeckt, dass das Antihypertensivum Reserpin eine antidepressive Wirkung hat. Reserpin war das erste Medikament, welches in einer randomisiertne Studie klare antidepressive Wirkungen zeigte. Dieses Medikament depletiert sympathische Nervenendigungen von Neurotransmittern. Es war das Medikament welches zur Entwicklung heutiger Antidepressive führte. “Reserpine in the Treatment of Anxious and Depressed Patients,” The Lancet 269 (1955): 117–20

18:00 Kommentar zu non-maleficence

"Non-maleficence" als eine der Säulen der Bioethik:
Principle of respect for autonomy,
Principle of non-maleficence,
Principle of beneficence, and
Principle of justice.

19:00 Kommentar

Die beiden Diskutanten sind keine Alkoholiker :) …. zumindest denken sie das von sich.

19:49 Unbekannter Zuhörer

Unbekannter, schweigender Zuhörer, der voller Erstaunen den ganzen Abend zuhörte und dann seinen Platz kopfschüttelnd verlies.

3. Kapitel: Krankheit & Intervention: Kultur-Anomalie vs. Natur-Störung

33:00 Kommentar

350 Millionen Menschen leiden an Depression (weltweit), 1 Millionen Menschen töten sich pro Jahr selbst.

4. Kapitel: Machbarkeits-Zwänge

38:00 Erklärung zu "Half-Way Technology“

Vgl. Thomas L (1971). The technology of medicine. N Engl J Med 285: 1366–1368.: Thomas referiert in diesem Artikel über die Entwicklung von teuren Technologien in der Medizin. Teure Technologien sind aufgrund der Unvollkommenheit des Verständnisses über die Erkrankungen notwendig. Mit zunehmendem Verständnis werden "half-way technologies" zu "decisive technologies". Der geneigte Zuhörer mag selbst entscheiden, ob die Tiefe Hinrstimulation für psychiatrische Erkrankungen zu der einen oder der anderen Gruppe gehört.

42:45 Kommentar zur dorsomedialen Thalamotomie

Die dorsomediale Thalamotomie wurde in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt, um mit einer kleinen strategischen und fokalen Läsion den Effekt der zu grausamen transorbitalen Lobotomie (Walter Freeman) zu induzieren ohne weitreichende Teile des Frontallappens zu zerstören. Diese Zielrichtung führte zur Entwicklung der Stereotaxie. Vgl. Spiegel, E., Wycis, H., Marks, M., & Lee, A. (1947). Stereotaxic Apparatus for Operations on the Human Brain. Science (New York, NY), 106(2754), 349–350. doi:10.1126/science.106.2754.349

43:00 Kommentar zu Stereotaxie

Erste Stereotaxie tatsächlich bei Psychochirurgie, Spiegel & Wycis 1947